Das Ensemble Theateratelier 14H begeistert zahlreiche kleine und große Besucher
Offenbach (dk). Nicht bombastische Geschenke und unendlich lange Lichterketten machen Weihnachten aus. Weihnachten ist, wenn die Menschen ein Stück Frieden finden und die Magie des Augenblicks vor dem Weihnachtsbaum genießen und teilen. So wie Chrissy und Maria in der neuen Eigenproduktion des Ensembles Bleichstraße 14 H »Ein Stück vom Weihnachtsglück« das nach sieben erfolgreichen Aufführungen noch einmal am 16. und 17. Dezember jeweils um elf Uhr im Theateratelier zu sehen sein wird. Eine wunderbare Einstimmung auf den Kern des Festes für junge Zuschauer ab vier Jahren.
Dabei sieht alles aber so ganz und gar nicht nach einem besinnlichen Miteinander unter dem Weihnachtsbaum aus. Denn Chrissy (Ulrike Happel) und Maria (Sabine Scholz) sind grundverschiedene Charaktere, die kaum einen Satz vollenden können, ohne in tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten zu geraten, die natürlich bis zum bitteren Ende, das meist dennoch witzig-absurd daherkommt, ausgetragen werden müssen. Maria liebt es, den Weg des Zeigers auf der Uhr zu verfolgen, der die Zeit langsam „in gleichmäßigen Schritten” durchschreitet. Für Chrissy alles Quatsch und Zeitverschwendung. Sie macht große Schritte, kleine Schritte, Tippelschritte, läuft kreuz und quer durch den Bühnenraum, verleiht in ihrer Interpretation dem Zeiger fast tänzerische Qualitäten. Denn das Gleichmaß der Zeigerbewegung ist für Chrissy schlicht „einfallslos,” „eintönig.” Und Marias Argument, dass die genaue Zeitmessung beispielsweise beim Kuchen backen unendlich wichtig sei, um zu wissen, wann der fertig ist, wischt Chrissy überzeugend vom Tisch. Wann der Kuchen fertig ist, das sagt ihr ihre Nase. Ha! Und wenn Chrissy Schnupfen hat? Dann backt sie nicht, weil dann hat sie eh keine Lust auf Kuchen.
Unversöhnlich scheinbar die Standpunkte, fast jeder Satz wirft neue Meinungsverschiedenheiten auf, die Gräben sind tief. Dennoch erreichen Sabine Scholz und Ulrike Happel durch die Art der Inszenierung, für die Stefan Wiemers vom Freiburger Cargo-Theater Regie gemacht hat, bei ihren durchaus ernsten Konflikten einen gewissen Witz und eine wohltuende Leichtigkeit, durch die man den Streithähnen gerne und gespannt folgt. Die spärlichen Requisiten wandeln sich, dienen als Rednerpodest, Predigerkanzel oder Emporen, werden Streitgespräche auf die Spitze getrieben, gibt es für die beiden Darstellerinnen die entsprechenden Positionen auf der hölzernen Stehleiter, und als die Geschichte Bethlehems im Zeitraffer nachgestellt wird, werden Stühle und Hocker zu Häusern, Palästen, Reitpferden der Soldaten – und zum Stall von Bethlehem unter der Leiter, von wo aus Chrissy sogar den Ochsen und den Esel gibt, während Maria vollkommen perplex über den Kreativitätsausbruch der Freundin das Kissen als Jesuskind an die Brust drückt. Doch als sich beide wieder aus der Geschichte lösen, mit der Chrissy eindeutig unter Beweis stellen wollte, dass es die heilige Nacht keineswegs eine stille Nacht gewesen sei – Stille, nach der sich Maria so sehnt – geht der Streit von neuem los. Und mündet sogar in die Trennung der Beiden, Chrissy verlässt das gemeinsame Zimmer.
Und erst getrennt vom anderen merken beide langsam, dass unter dem ewigen Streit auch andere Gefühle liegen: Vertrauen, Vertrautheit, Verlässlichkeit, Partnerschaft, der große Wunsch, wieder zusammen sein zu können. Über alle Unterschiede hinweg. Und beide lassen es über dem strahlenden Weihnachtsbaum kleine Papierschnipsel schneien. Schweigend, andächtig, anrührend. Ganz ohne Streit…